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Kunst schafft Beziehungen
Reden zur Kunst als Ausdruck einer Beziehung

Rede 1
Einführung von Theres Held anlässlich der Vernissage zu den Ausstellungen von Christa Nussbaumer & Felix Boller
im Krankenheim Witikon, Zürich, und im Museum Bravuogn, Bergün

[Rede 2 gehalten in Scuol] [Rede 3 gehalten in Wallisellen]

Ich weiss nicht, zu welcher Art von Leser oder Leserin Sie gehören: zu denen, die vor dem Lesen die Innenseite des Buchumschlags studieren, um möglichst viel über den Autor und sein Werk zu erfahren, oder zu jenen, die das Buch losgelöst vom Schöpfer oder irgendeiner Einführung auf sich wirken lassen wollen. In diesem Fall müssen Sie jetzt einfach ein paar Minuten weghören. Ich gehöre zu den Leserinnen, die irgendwann während der Lektüre plötzlich wissen wollen, wer da eigentlich dahinter steht. Dann verlasse ich die Geschichte für einen Augenblick und versuche, auf dem Buchumschlag oder im Vorwort, die Person ein wenig kennenzulernen, die mich in eine ganz andere Welt geführt hat. Bevor Sie in diesem Saal Platz genommen haben, haben Sie sicher schon einige Bilder betrachtet, sind vielleicht beim einen oder anderen stehen geblieben, haben also die eine oder andere Geschichte zu lesen begonnen. Und jetzt wäre vielleicht der Moment gekommen, den Buchumschlag des Werkes "Experimentelle Radierungen von Christa Nussbaumer und Felix Boller" anzuschauen.

Wir sind also an einer Vernissage von zwei Künstlern, das wäre an und für sich nichts Aussergewöhnliches. Das Besondere ist nun aber doch, dass die zwei nicht nur Kunst-, sondern auch Lebenspartner sind. Da ist viel Gemeinsames: Bei beiden ist die Kunst ein ganz zentraler Lebensinhalt geworden, beide sind seit ein paar Jahren von der Kunst des Radierens fasziniert und haben diese Kunstrichtung an der Schule für Gestaltung in Zürich immer weiter entwickelt, beide lieben das Handwerkliche an dieser Technik, beide suchen miteinander dieselben Orte auf, wo sie sich für ihre Bilder inspirieren lassen. Und doch ist jedes von diesen Werken, das von Christa Nussbaumer und das von Felix Boller, ein ganz eigenständiges!

Diese Eigenständigkeit zeigt sich für mich besonders in der Gruppe der Bilder, die im Gang zu diesem Saal hängen. Zwei davon kennen Sie schon, sie sind auf der Einladung zu dieser Vernissage abgebildet. Diese Bilder sind Heliogravuren oder Fotoradierungen, eine ganz spezielle Technik, die die beiden Künstler selber entwickelt haben. Das Persönliche, das Andere bei diesen Radierungen liegt in der Aussage und in der Arbeitsweise.

Ihren Werken würde Christa Nussbaumer den Übertitel "Chaos" geben. In ihrem Hauptberuf als Grafikerin muss sie aus einer Vielfalt von Ideen, Vorstellungen, Texten - einem Durcheinander von all dem - Ordnung herstellen. Ganz anders ist es bei ihren Kunstwerken, die so wunderschöne Titel haben wie "Augenschein", "Eishöhle", "Fremd". Am Anfang ist da eine Idee, aber von dieser entfernt sich die Künstlerin immer mehr, es entsteht scheinbar Zufälliges, Chaotisches, das zu neuen inneren Bildern führt, zu neuen Ideen, bis am Schluss ein Werk entstanden ist, das mit der Ursprungsidee vielleicht gar nichts mehr zu tun hat. Ein kleiner, zuerst unscheinbarer Fleck hat das ganze Bild verändert.

Bei den Heliogravuren von Felix Boller ist nichts dem Zufall überlassen, seinen Werken könnte man am ehesten den Titel eines Bildes geben, desjenigen der Einladung: "Zeitgeist". Sowohl in seinem Hauptberuf wie privat ist Felix Boller ein unermüdlicher Verfechter für Integration von Fremdem, von Randgruppen; ein Kämpfer gegen Absonderung und Ausgrenzung. Dass diese Vernissage in einem Krankenheim stattfindet, dass Kunst zu den Menschen gebracht wird, die im Moment nicht in der Lage sind, sie auswärts zu suchen, ist, denke ich, auch ein Versuch, dem gängigen Zeitgeist etwas entgegenzusetzen. Die Kombination der Fotografien, die seinen Werken als Grundlage dienen, wirkt zum Teil fast zynisch, aber auch das ist manchmal eine Antwort auf den Zeitgeist in diesem Land.

Im Gang zum Lift hängen 35 kleine Strichradierungen, eine Art Tagebuchnotizen aus gemeinsamen Ferien in Scuol. Es sind Gedanken, Begegnungen, Erlebnisse der letzten und der ersten Tage der Jahre 1993/94.

Am Schluss meines Umschlagtextes möchte ich über die Bilder reden, die in diesem Saal hängen. Es sind die einzigen Radierungen, die die beiden Künstler gemeinsam geschaffen haben und die an einem Ort entstanden sind, der für einige in diesem Saal mit vielen Erinnerungen verknüpft ist. Wenn man die Küchentischplatte dieses Ortes als Druckplatte brauchen könnte, würden sie ihre Initialen mehr oder weniger kunstvoll gestaltet auf dem Papier wiederfinden, und dieses Bild wäre ein dicker Roman!

Der Ort heisst Naz, ein paar Maiensässe im oberen Albulatal, ein Ort, an dem man entweder vorbeifährt oder eben bleibt für kurz oder länger, die Zeit spielt keine grosse Rolle. Ein Ort, an dem es einem eigentlich eng werden könnte mit all den hohen Bergen ringsum. Aber es ist eben ein magischer Ort, es wird einem nicht eng, sondern weit. Nirgends kann man so lange und so gut philosophieren über Schönheit, über Heimat, über Glück, ja sogar die eigentliche Gretchenfrage nach dem Glauben kam dort schon auf den Tisch. Ein Ort, der geprägt ist von einer Flusslandschaft aus Auen, Nebenflüssen, Bächen und Bächlein. Die fünf Bilder tragen die romanischen Namen dieser Flüsse und Bäche: "La Rabgiusa" - die Wilde, "Alvra" - Albula, die Weisse, "Ovel da Zavretta" - Bach der Zavretta, "Sablunun" - die Sandige und "Ava da Plazbi" - Wasser des schönen, des magischen Platzes.

Diese Radierungen sind im Sommer 1994 entstanden und haben die Landschaft für kurze Zeit verändert. Die Wanderer und die Kühe haben entsetzt das Weite gesucht, so geblendet von den Zinkplatten, die da in der Weide lagen. Und auch die Kühnen, die trotzdem näher kamen, haben beim Anblick des giftigen Rauches, der aus den Salpetersäureflaschen aufstieg, wieder an die Rückkehr des Berggeistes geglaubt. Plazbi also doch!

Eines der Bilder im Gang trägt den Titel "Trinità". Eine Dreiheit, eine Dreiecksbeziehung im besten Sinne ist immer dort vorhanden, wo Werk, Künstler und Betrachter oder Zuhörer oder Leser so ein Dreieck bilden, sich gegenseitig inspirieren, beeinflussen, Fragen stellen und vielleicht Antworten geben. "Dichter und Leser sind sich gleich gesonnen; die Sätze, die ich lese, leben davon, dass sie in mir beantwortet werden", schreibt der Schriftsteller Martin Walser. Das, denke ich, gilt für jede Art von Kunst!

Eine Art Potenzierung dieser Dreiheit dürfen wir jetzt dann erleben; Bild - Text - Musik.

Die Texte von Clo Duri Bezzola, die er selber liest, sind auch an diesem Ort entstanden, ganz unabhängig von den Bildern und zu ganz anderen Zeiten. Es sind Fragmente aus einem Romanmanuskript. Der Musiker Daniel Erni kennt zwar diesen Ort Naz nicht, noch nicht, aber er kennt die fünf Bilder und er kennt die Texte und hat speziell dazu Musik ausgewählt.

Für alle die inneren Bilder, die durch Eure Radierungen entstehen, Christa und Felix, durch Deine Texte, Clo Duri, und durch Deine Musik, Daniel, danke ich Euch.

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